Ausschnitte aus dem gesamt Interview.
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Begleittext zum Interview von Caspar Zellweger
Der Gemeinderat wird seit über einem Jahr nicht müde, der Öffentlichkeit zu erklären, dass der aktuelle QP Ortskern unbedingt und nur mittels eines Teilzonenplanes „modernisiert“ und „in die Zukunft geführt“ werden könne. Das Vorhaben sei angeblich in der Bevölkerung von Arlesheim breit abgestützt, die seit Beginn vom Gemeinderat intensiv in die Arbeiten einbezogen worden sei. Das alles tönt gut und nett - und vor allem harmlos. Genau das ist es indessen nicht.
Ebenso wenig entspricht es der Wahrheit, dass alle in das Vorhaben einbezogen worden sind. Das Gegenteil ist der Fall und das Resultat ist schauerlich. Was sich der Gemeinderat und seine von ihm sorgfältig selektionierten Gremien und sog. Experten ausgedacht haben, wird den grössten Teil des Dorfkerns unter eine Glasglocke stellen, die von Verboten dominiert ist und den verbleibenden Rest bis ins letzte Detail regelt. Mit den Betroffenen, nämlich den Hauseigentümern im Dorf, wurde nicht gesprochen, sie wurden lediglich informiert und in einem halbstündigen, nicht protokolllierten Gespräch aufgefordert, still zu sein, weil sie eh nichts verstehen würden (so tatsächlich passiert). Es gehe doch nur darum, den von Allen bewunderten Dorfkern zu erhalten und zu schützen.
Die Instrumente, mit denen der Gemeinderat dieses Ziel erreichen will, sind der Strassenlinienplan und der Teilzonenplan. Die beiden Instrumente sind eng miteinander verbunden, indem der Strassenlinienplan mit der darin vorgesehenen Aufhebung aller Baulinien faktisch jegliche Bautätigkeit und, was noch schlimmer ist, auch alle vernünftig energetischen und anderen Sanierungsbemühungen im Dorfkern verunmöglicht, kommt dem Teilzonenplan die Aufgabe zu, die Hauseigentümer mittels engmaschiger Nutzungsvorschriften zu gängeln. Werden der Strassenlinienplan und der Teilzonenplan vom Stimmvolk angenommen, wird der Dorfkern zur Totzone. Ballenberg ist das auch, aber im Unterschied zu Arlesheim, ist der Ballenberg ein (unbewohntes) Museum, das zudem vom Bund jedes Jahr mit einem paar Millionen Franken finanziert und in Schuss gehalten wird. Daran denkt der Gemeinderat der Gemeinde Arlesheim indessen überhaupt nicht – das werden wohl die Gerichte richten müssen.
Tatsache ist, dass die angedachte Unterschutzstellung schätzungsweise 8’ bis 10'000 Quadratmeter bebaubare Wohnfläche im Dorfkern vernichtet, was einem Schaden von 16 bis 20 Millionen Schweizer Franken entspricht. Dazu kommt die Entwertung, welche alle Grundstücke als natürliche Folge der Unterschutzstellung erfahren werden, die ebenfalls in die Millionen geht. Mit anderen Worten: Der Gemeinderat setzt die ganze Gemeinde einem nicht unerheblichen finanziellen Risiko aus.
Indessen geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Die neue «Gesetzgebung» umfasst, einschliesslich aller dazu gehörender Berichten, bis heute mehr als 500 Seiten. Das ist eine ganze Menge neuer Vorschriften, die da auf die Bürger zukommen. Sich einen Überblick zu schaffen, ist schon schwer, aber wenn es ums Verstehen geht, wird es unmöglich, weil inhaltlich widersprüchlich, sprachlich verworren und schlecht verfasst. Das dem Stimmvolk vorgelegte Resultat ist ein Stückwerk, das mehrere, zum Teil sehr grundsätzliche, Überarbeitungen erfahren hat, die aber alle nicht oder kaum aufeinander abgestimmt sind.
Das Problem dabei ist, dass die Deutungshoheit über dieses Konvolut, da es sich um (zwingendes) öffentliches Recht handelt, allein und ausschliesslich bei der vollziehenden Behörde liegt. Ist ein Betroffener nicht einverstanden, muss er sich vor Gericht zur Wehr setzen, also zuerst Geld in die Hand nehmen, nur um dann vom Gericht darüber belehrt zu werden, dass die Behörde, weil im Gesetz nicht eindeutig, halt über eine grosse Ermessenfreiheit verfüge, die vom Gericht (angeblich) nicht beschnitten werden dürfe. Das heisst, die minderwertige Gesetzesredaktion hat durchaus System, in dem es der Behörde erlaubt, sich nie festzulegen und jeden Fall neu und anders zu beurteilen. Wo Rechtsunsicherheit herrscht, da greift, so die alte Erfahrung seit Menschengedenken, Willkür, Vetternwirtschaft und, wenn es ganz übel kommt, blanke Korruption. Kurz: Der Rechtsfrieden ist dahin.
Die Aufhebung des bestehenden Quartierplans und dessen Ersetzung durch einen neuen Strassenlinien- und Teilzonenplan ist mithin für alle Betroffenen ein Schritt vom Regen in die Traufe. Was jetzt schon einigermassen beschwerlich ist, soll inskünftig noch um ein Vielfaches komplizierter und aufwändiger werden oder ganz wegsterben.
Und hier zeichnet sich am Horizont schon die nächste Diskussion ab. Was soll mit Häusern geschehen, die nicht mehr unterhalten werden? Richtig! – sie sollen enteignet werden, wie jüngst der Presse zu entnehmen gewesen war. Diese Diskussion ist noch lange nicht vorbei.
Das wirft natürlich die Frage auf, um was es hier wirklich geht. Heimattümelei ist sicher ein Motiv, aber sicher kein tragendes, sondern das Mittel, wie derlei Massnahmen beim in der Sache meist ahnungslosen, aber dafür umso mehr für Emotionen offenen Stimmbürger durchgebracht werden. Tatsache ist indessen, dass das vermeintlich so schützenswerte Ortsbild von Arlesheim das Resultat des bisherigen Quartierplanes Ortskern ist, der sich also durchaus bewährt zu haben scheint. Also kann das Ortsbild per se und seine Erhaltung nicht der Anlass zum Abschaffen des bestehenden Quartierplans sein.
Effektiv geht es denn auch um etwas ganz anderes, nämlich um solide ökonomische Interessen, denen hier unter der Fahne von Denkmal-, Heimat- und Naturschutz zum Durchbruch verholfen werden soll. Unter diesem Label haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Planungsbüros und Handwerksbetriebe aller Art etabliert, die entsprechend Arbeit benötigen. Aufträge erhält man, wenn ein Interesse am Angebot besteht oder ein solches eben geschaffen wird – oder noch besser, gleich vom Gesetzgeber diktiert wird!
Wie schafft man das? Zuerst gründet man einen Interessenverband, der sich irgendeinem Thema in den Bereichen Denkmal-, Heimat- und Naturschutz verschreibt und damit mehr oder weniger rührig an die Öffentlichkeit tritt. Ist die Aufmerksamkeit für dieses oder jenes Thema einmal geschaffen, haben die Exponenten dieser Verbände reelle Chancen, sich in politische Gremien wählen zu lassen, und zwar für solange, bis sie über die Mehrheit verfügen. Von da an können Aufträge zu jedem Thema verteilt werden, die stets nicht bloss gut bezahlt sind, sondern mit Bezug auf welche auch keinerlei Inkassorisiko besteht, weil die Rechnungen stets aus und mit öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Mit der Zeit ist es dann soweit, dass man eine zweite, ebenfalls enorm lukrative und nicht versiegende Einnahmequelle schaffen kann: Man schreibt ins Gesetz, dass jedermann diese «Experten» benötigt. Geht das nicht, dann sorgt man dafür, dass im Gesetz ein Verbandsbeschwerderecht verankert wird, das den vorerwähnten Verbänden die Möglichkeit zur Einsprache gibt, welche die Betroffenen dann eben zwingen, sich an die «Experten» und «Spezialisten» zu wenden, die sich im Gebiet angeblich besonders gut auskennen.
Im Fall von Arlesheim kann man die Probe aufs Exempel machen, indem man sich die Mitgliederlisten der einschlägigen Verbände, die Namenlisten in den verschiedenen Konzeptpapieren und die Planköpfe in den Entwürfen der Gemeinden und zum Schluss die Zusammensetzung der Gemeinderäte ansieht und dann etwas bass feststellt, dass hüben wie drüben überall die gleichen Namen auftauchen.
Die einzige Möglichkeit, diesem Irrsinn ein Ende zu bereiten, ist an der Abstimmung Nein zum Strassenlinienplan und zum Teilzonenplan zu sagen. Nur weil der bestehende Quartierplan demnächst seinen fünfzigsten Geburtstag feiert, ist er deswegen nicht überholt, sondern höchstens etwas vernachlässigt, seit der Gemeinderat es seit Jahren unterlassen hat, diesen nachzuführen. Aber deswegen braucht man ihn nicht gleich über Bord zu werfen und durch ein 500- seitiges Willkürpaket zu ersetzen.